»Du musst dein Leben ändern« – so heißt ein Buch des Philosophen Peter Sloterdijk, dessen Titel er dem Gedicht »Archaischer Torso Apollos« entlehnt hatte, das der Dichter Rainer Maria Rilke im Jahre 1908 schrieb. Und genau dieser Titel ist es, der so gut zum Themenkomplex »Diäten«, »Training« und »Gewichtsreduktion« passt. Denn der immerwährende Traum aller sich fortwährend Optimierenden – das schier unvorstellbar zu realisierende Halten eines Optimalgewichts – lässt sich nicht anders verwirklichen, als durch die (fast) wörtliche Befolgung jener oben zitierten Maxime.

»Du musst dein Leben ändern« ist eine Chiffre für eine anthropologische Konstante, die da heißt: Der Mensch ist ein übendes Wesen, ein ewig Übender. Der Mensch übt sich in Techniken der Kultur und bringt sich genau dadurch als Mensch immer wieder hervor; dadurch, dass er sich selbst immer wieder beweist, zu welch Kulturleistungen (aber auch »Unleistungen«) er im Stande ist, reproduziert er die Kerneigenschaften, die ihn zum Menschen machen und von Tieren unterscheiden: Die Erzeugung von Neuem durch kreative Bewusstseinsakte sowie die grundsätzliche Sublimierungsfähigkeit von Trieben in kulturelle Produkte bzw. Praktiken.

Übung als Schlüssel zur Nachhaltigen Veränderung

Auch Sport- und Diätpraktiken sind offenkundig kulturelle Praktiken. Doch scheinen sie nach wie vor eher zu den Dingen zu gehören, welche sich die meisten von uns nicht dauerhaft zu Eigen machen können. Übung macht ja bekanntlich den Meister, aber wenn es um das Thema Sport und Diät geht, steht bei vielen am Ende ein großes Versagen. Dabei ist es eigentlich nicht gar so schwierig, wie viele denken. Warum?

Das Problem ist, dass Sport- und Diät für viele Menschen bloß episodisch relevant sind bzw. werden: Als Vorsätze fürs neue Jahr, die dann nur die ersten zwei Wochen eingehalten werden, als Maßnahmen im Vorfeld bestimmter Anlässe (Hochzeiten, Urlaubsreisen etc.) oder als Instrumente der Bewältigung von Lebenspraktischen Krisen (Scheitern von Beziehung, Jobverlust etc.). Was jedoch nur episodisch in Erscheinung tritt, kann auch nicht wirklich zur Meisterschaft gebracht werden bzw. führt zu dem, was man landläufig als den gefürchteten »Jo-Jo-Effekt« bezeichnet. Die einfache, aber folgenreiche Konsequenz aus dem bisher Gesagten ist also: Sport und Diät sollten zu festen Bestandteilen des persönlichen Lebens werden, wenn sie wirklich nachhaltige Wirkung zeigen sollen; sie müssen eben regelmäßig »geübt« werden. Anderenfalls sollte man keinen Gedanken daran verschwenden, es wäre nur eine unnötige Last. Die Maxime »Du musst dein Leben ändern« ist in dieser Hinsicht, wie gesagt, (fast) wörtlich zu verstehen. Aber wie ändert man denn nun sein Leben?

»Diät« bedeutet nicht »Verzicht«, und »Sport« muss nicht gleich »Marathon« heißen

 Was die meisten wohl beim Nachvollzug des Gedankens, ihr Leben zu ändern, am meisten abschrecken dürfte, ist die Vorstellung, dass damit ein radikaler Lebenswandel einhergehen müsste. Dem ist jedoch nicht so. Sport und Diät sind Dinge, die sich effizient – zum Beispiel mithilfe von Geräten wie einem Pulsmesser etwa – und dosiert sehr gut in die eigenen Lebenspraxis einbauen lassen, auch ohne, dass sie zu absoluten Lebensmittelpunkten werden müssen; sie können zu ganz alltäglichen Praktiken werden, ähnlich wie Zähneputzen oder Wäschewaschen.

Sport zu treiben, sodass man gesund und fit bleibt, heißt schließlich ja nicht, dass man gleich einen Marathon laufen muss; und eine Diät zu halten, hat nichts damit zu tun, dass man sich für sein Leben lang der Askese zu verschreiben hat. Vielmehr reicht es bereits aus, einige kleinere Justierungen vorzunehmen, diese dann aber dauerhaft beizubehalten. Regelmäßige Bewegung – das Robert-Koch-Institut empfiehlt hier ca. 2,5 Std. moderate Bewegung in der Woche (!), die völlig ausreichend seien, um Gesundheit zu erhalten – sowie wenig zucker- und fetthaltige Kost sind hier oftmals schon genug.

Entscheidend ist letztlich: Es macht keinen Sinn, auf etwas völlig zu verzichten; vielmehr geht es darum, ein gesundes Mittelmaß zu finden und nicht immer alles bis zum Exzess auszuleben. Denn genau das suggerieren herkömmliche Diäten: Für eine kurze Zeit soll man sich quälen und selbstkasteien, nur um direkt danach wieder ordentlich zuzulangen und das verlorene Gewicht – und meistens gar noch mehr – wieder aufzubauen. Dies ist nicht nur in hohem Maße physisch ungesund, sondern auch psychisch. Insofern müsste der anfangs zitierte Satz von Rilke eigentlich korrekterweise heißen: »Du musst dein Leben ändern – aber vergiss‘ auch nicht zu leben!«. (Werbung)